Gleichstellung

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Gleichstellung: Zu wenig Frauen in den Chefetagen

Medizin zu studieren ist beliebt, vor allem bei Frauen: Laut dem Statistischen Bundesamt sind etwa zwei Drittel der Studierenden weiblich. Mit 190.000 Ärztinnen machen Frauen zudem knapp 48 Prozent der gesamten deutschen Ärzteschaft aus. Die Gleichstellung scheint in der Medizin also zu funktionieren – zumindest quantitativ. 

Doch was Führungspositionen in Krankenhäusern betrifft, sind Ärztinnen nach wie vor deutlich unterrepräsentiert. Das zeigt etwa die Studie „Medical Women on Top 2019“ des Deutschen Ärztinnenbundes, die das Geschlechterverhältnis für 13 klinische Fächer und zwei Institute an 35 deutschen Universitätskliniken untersucht hat.

Danach lag 2019 der Anteil von Frauen in Führungspositionen an den Unikliniken bei lediglich 13 Prozent. Als Führungsposition wird dabei das Innehaben eines Lehrstuhls, einer Klinikdirektion oder unabhängigen Abteilungsleitung definiert. Hier ist zwar eine leichte Steigerung zu vermerken – 2016 waren es nur 10 Prozent –, doch von einer Gleichstellung der Geschlechter kann weiterhin keine Rede sein. Laut der Studie sind die meisten weiblich besetzen Führungspositionen an den Unikliniken in Berlin, Dresden, Frankfurt, Freiburg und Münster zu finden (20 Prozent). In Würzburg, Homburg und Magdeburg sind die Spitzenpositionen beispielsweise hingegen noch immer ausschließlich von Männern besetzt.
Ein ähnliches Bild bietet sich in der mittleren Klinikebene, wo bei den Oberarzt-Stellen ebenfalls der Männeranteil deutlich überwiegt. Auch hier gibt es teilweise große Unterschiede zwischen einzelnen Häusern: An der Uniklinik Dresden sind 43 Prozent der Oberärzte Frauen, an der Uniklinik Mannheim nur 24 Prozent.

Arztberuf war lange von Männern dominiert

Medizin war über Jahrhunderte hinweg eine reine Männerdomäne. Im 18. Jahrhundert promovierte die erste deutsche Ärztin: Dorothea Christiane Erxleben aus Quedlinburg. Sie war eine Pionierin ihrer Zeit, und erst 1899, im Deutschen Kaiserreich, wurden Frauen erstmals zu Staatsexamina in Medizin, Zahnmedizin und Pharmazie zugelassen. Frauen erhielten zwar Zugang zum Medizinstudium, was aber trotzdem nichts daran änderte, dass noch über Jahrzehnte vor allem Männer den Arztberuf ausübten. Als Berufsverband wurde 1924 der Deutsche Ärztinnenbund ins Leben gerufen, dem 280 der 2500 Ärztinnen im Land beitraten. Heute zählt der Deutsche Ärztinnenbund rund 2000 Mitglieder – bei 190.000 Ärztinnen in Deutschland eine geringe Zahl. 
 

Karrierebremse bei der Facharztausbildung

Ein Hindernis bei der Arztkarriere von Frauen stellt oftmals die fünf- oder sechsjährige Weiterbildung zur Fachärztin nach vollendetem Medizinstudium. Die Option, die Facharztausbildung in Teilzeit zu absolvieren, besteht zwar, aber damit verlängert sie sich entsprechend. Da Frauen in genau diesem Lebensabschnitt häufig Kinder bekommen und nicht mehr in Vollzeit tätig sind, geraten sie ins Hintertreffen. Sie können nicht in gleichem Maße an Fortbildungen teilnehmen, und auch das so wichtige Netzwerken ist nur noch eingeschränkt möglich. In der medizinischen Forschung sieht es ähnlich aus. Dort kommt noch hinzu, dass die häufig befristeten Verträge während des Mutterschutzes oder der Elternzeit auslaufen. Nur an wenigen Häusern – etwa der Charité Berlin – dürfen diese Zeiten nachgeholt werden. Im Gegensatz zu niedergelassenen Ärzten, mehr Gleichberechtigung und Selbstbestimmtheit herrscht, ist der Alltag in Kliniken noch stark von Rollenbildern geprägt. Benachteiligungen ergeben sich in Krankenhäusern häufig aus jahrzehntelang gewachsenen starren Strukturen. So ist Halbtagsarbeit oft kaum mit den Dienstplänen vereinbar. Eine besondere Situation ergibt sich an den Universitätskliniken: Wer hier Karriere machen möchte, muss die Felder Patientenversorgung, Forschung und Lehre gleichermaßen bedienen. Der Zeitaufwand ist enorm und kaum mit einer Familie zu verbinden. 

Änderung des Mutterschutzgesetzes – ein Fortschritt?

Bis vor wenigen Jahren bedeutete in vielen Fällen bereits der Beginn einer Schwangerschaft das sofortige Ausscheiden aus dem Beruf. Oftmals wurde nämlich automatisch ein Beschäftigungsverbot verhängt. Die Begründung: ein erhöhtes Infektionsrisiko und somit eine Gefahr für Mutter und Kind. Viele betroffene schwangere Ärztinnen empfanden dies als Affront: Das Beschäftigungsverbot diene ihren Arbeitgebern als der bequemere Weg. Diese wollten lediglich den Aufwand umgehen, den Arbeitsplatz der werdenden Mutter so umzugestalten, dass er sicher und risikofrei werde. Seit dem 1. Januar 2018 gilt für Ärztinnen eine Änderung des Mutterschutzgesetzes. Die sieht vor, dass keine pauschalen Arbeitsverbote mehr gegen den Willen der Schwangeren ausgesprochen werden dürfen. Viele Ärztinnen betrachten das als gute Nachricht. Dennoch fühlen sich speziell Chirurginnen von dem Gesetz nicht berücksichtigt, denn sie erhalten vielfach noch immer ein Beschäftigungsverbot während der Schwangerschaft, wünschten sich aber, noch länger im OP stehen zu dürfen. So sei es auch für Chirurginnen möglich, ihren Arbeitsplatz sicher zu gestalten und reale Gefahren, wie etwa Röntgenstrahlen, zu umgehen. Die Gesetzesänderung enthält jedoch keine Klausel, die die Situation für Operateurinnen regelt.

Alte Strukturen ändern, neue Netzwerke formen

Aufgrund von Schwangerschaften abgehängt zu werden, ist für Fachärztinnen also häufig Realität. Und selbst, wenn sie alles versuchen, ihre Karriere trotz Familie voranzutreiben, sind sie bei der Besetzung von Führungspositionen benachteiligt. Dies hat oftmals rein mit dem Beziehungsmanagement und Networking zu tun. Solche informellen Netzwerke haben tatsächlich aber immer noch Bedeutung. Zudem lassen sich Strukturen und Besetzungspraktiken, die über Generationen entstanden sind, nicht einfach aufbrechen. Was sich alles ändern müsste, formulierte der Deutsche Ärztinnenbund 2011 innerhalb des Projekts „Ärztin 2020“: 

  • Eine systematische Karriereplanung und -vorbereitung bereits im Medizinstudium
  • Familienfreundlichkeit in der Unternehmenskultur von Krankenhäusern und Gesundheitseinrichtungen
  • Hohe Priorisierung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf
  • Geregelte Arbeitszeiten und bessere Arbeitsbedingungen für niedergelassene Ärztinnen
  • Mehr Mitwirkung und Mitentscheidung von Ärztinnen bei Fragen der Berufsausübung und der Weiterentwicklung von Strukturen im Gesundheitswesen
  • Keine Vorbehalte mehr gegen die „Feminisierung“ der Ärzteschaft

Diese Visionen für das Jahr 2020 haben sich nicht erfüllt. Doch es gibt vielerorts Initiativen in Form von Mentorinnen-Programmen, die junge Ärztinnen bei ihrem beruflichen Fortkommen unterstützen. Eine Entwicklung in die richtige Richtung, denn sich zu vernetzen gilt nach wie vor als entscheidender Karrieremotor. 

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